Teil 5 Ü50 – Die beste Entscheidung des Lebens: Feuer und Flamme für den Wald

VON Mireille Guggenbühler

Verschiedene Studien haben in den vergangenen Jahren ergeben, dass rund 30 Prozent der Lehrerinnen und Erzieher in Deutschland unter einem Burn-Out oder Erschöpfung leiden. In der Schweiz sieht die Situation nicht viel anders aus: Auch hier haben diverse Studien in den letzten Jahren gezeigt, dass 30 bis 40 Prozent der Lehrkräfte bereits ausgebrannt beziehungsweise gefährdet sind, ein Burn-out zu erleiden.

Doch es gibt auch Pädagoginnen und Pädagogen, die nicht ausbrennen – selbst im fortgeschrittenen Arbeitsalter nicht. Im Gegenteil: Es sind Pädagoginnen und Pädagogen, die ihrem Beruf selbst kurz vor der Rente noch mit einer Leidenschaft nachgehen, die beeindruckend ist. Es sind Pädagogen und Pädagoginnen, die sich entschieden haben, im Wald zu arbeiten und ihren Berufsalltag mit den Kindern draussen zu verbringen. Das hat dazu geführt, dass ihre Berufszufriedenheit im Alter nicht nur gestiegen, sondern maximal ist.

Nature Flow hat mit fünf Erzieherinnen und Erziehern gesprochen, die sich einig sind: Als Pädagoge oder Pädagogin im Wald zu arbeiten, sei die beste Entscheidung in ihrem Leben gewesen. Die Fünf fühlen sich gesünder und zufriedener als je zuvor.  Und: Alle fünf können sich nicht vorstellen, wieder irgendwo in einem Haus mit Kindern zu arbeiten. Die fünf Waldpädagoinnen und Waldpädagogen machen angehenden Erziehern und Pädagoginnen Mut, die Natur und den Wald als ideales Arbeits- und Erziehungsumfeld, als wunderbaren Lebensraum für und mit Kindern zu entdecken.

Christina Rütze, 65 Jahre, Erzieherin, Bauzeichnerin, seit kurzem Rentnerin, Waldkindergarten Rossdorf, Hessen

2005, mit 48 Jahren, habe ich meine Ausbildung als Erzieherin abgeschlossen. Bereits vorher habe ich seit 26 Jahren im gleichen Kindergarten gearbeitet. Allerdings gab es immer wieder Änderungen bezüglich der Räume, die uns zur Verfügung standen. Die Waldgruppe wurde wegen mangelnder Kita Plätze in der Einrichtung gegründet. Ich habe mich davon sehr angesprochen gefühlt und mich zusammen mit zwei Kolleginnen beworben. Im Januar 2017 sind wir dann gestartet. Wir haben zwei Räume auf einem Reiterhof, die wir von 7 bis 13 Uhr nutzen können. Der Waldkindergarten ist gleichzeitig einem Hauskindergarten angeschlossen. Den Vormittag verbringen die Kinder im Wald oder in den Räumen im Reiterhof, den Nachmittag dann im Hauskindergarten.

Die Waldgruppe wurde wegen mangelnder Kita Plätze in der Einrichtung gegründet.

Christina Rütze

Wir laufen jeweils vom Reiterhof zu unseren Plätzen im Wald. So besuchen wir an einem Tag die Wiese mit dem Bach, an einem anderen Tag gehen wir zum Waldsofa oder zum Drachennest. Im Winter sind wir meistens etwas weniger lange draussen, vielleicht nur zwei anstatt vier Stunden. Die Kälte war in den vergangenen Jahren deshalb nie ein Thema für mich. Das Draussensein hat mir auf jeden Fall gutgetan und bestimmt mein Immunsystem gestärkt. Ich hatte beispielsweise nie Corona, im Gegensatz zu allen Menschen um mich herum. Ich führe dies darauf zurück, dass ich jeden Tag draussen war. Seit ich im Wald arbeite, habe ich das Gefühl, dass ich gesünder bin.

Das Draussensein hat mir auf jeden Fall gutgetan und bestimmt mein Immunsystem gestärkt.

Christina Rütze

Natürlich haben wir im Wald auch Kinder die niesen und schnupfen, aber wir bekommen im Wald nicht die volle Ladung ab, wie dies in einem Hauskindergarten der Fall ist. Generell haben die Kinder im Wald aus meiner Sicht aber viel weniger gesundheitliche Probleme. Ich bin überzeugt, dass man fitter und gesünder ist, wenn man so oft draussen ist.

Generell haben die Kinder im Wald aus meiner Sicht aber viel weniger gesundheitliche Probleme.

Christina Rütze

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Im Wald bin ich immer deutlich entspannter gewesen als im Hauskindergarten und auch die Kinder sind viel ruhiger im Wald.

Christina Rütze

Mein Alter habe ich im Wald nur beim Sitzen gespürt. Das Waldsofa ist für uns ältere Frauen nämlich nicht so praktisch, weil es so tief unten ist. Das Wiederaufstehen ist etwas mühsam. Deshalb haben wir entschieden, dass wir uns einen höheren Baumklotz holen dürfen, um darauf zu sitzen.

Im Wald bin ich immer deutlich entspannter gewesen als im Hauskindergarten und auch die Kinder sind viel ruhiger im Wald. Den Unterschied habe ich jeweils gemerkt, wenn ich ins Haupthaus zurückgekehrt bin und den ganzen Lärmpegel mitbekommen und die anderen Kinder gesehen habe. Meine Schwester, die letztes Jahr siebzig geworden ist, hat auch im Kindergarten gearbeitet und macht immer noch Springerin. Aber nur, wenn sie im Wald sein kann.

Ich weiss nicht, ob ich nicht viel früher in den Ruhestand gegangen wäre, wenn ich in einem Hauskindergarten geblieben wäre. Die Belastung in einem Hauskindergarten ist schon enorm hoch.

Christina Rütze

Ich weiss nicht, ob ich nicht viel früher in den Ruhestand gegangen wäre, wenn ich in einem Hauskindergarten geblieben wäre. Die Belastung in einem Hauskindergarten ist schon enorm hoch. Natürlich haben wir auch im Waldkindergarten Kinder, die einen an den Rand der Kräfte bringen können, aber im Wald fühlt sich dies einfach ganz anders an.

Der Wald ist einfach ein wunderbarer Lernort. Dank dem Handy und entsprechenden Apps kann man  fast alle Fragen der Kinder beantworten. Ich kenne ja nicht alle Pflanzen oder Tierspuren, aber mit Hilfe der Apps findet man fast alles heraus, man kann damit sogar Heilkräuter bestimmen. Vorletztes Jahr hatten wir am Bach ganz viele Mädesüss gesammelt und Gelee daraus gemacht. Auch aus indischem Springkraut kann man Gelee machen und natürlich aus Holunderblüten. Die Kinder lernen auch, dass man Gänseblümchen oder Löwenzahn essen kann.

Der Online Kurs für Natur- und Waldpädagogik resultiert aus über 30 Jahren Erfahrung aus professioneller elementarpädagogischer Arbeit in der Natur, insbesondere im Wald.

In Videos schildern Petra Jäger, Waldkindergarten Flensburg
und Nadja Hillgruber, digitales Fachblatt Nature Flow/ Feuervogel
ihre praktischen Erfahrungen.

Ich hatte auch eine Praktikantin, die ist dieses Jahr sechzig geworden und die würde gerne im Wald bleiben und arbeiten.

Christina Rütze

Wir haben in unserem Waldkindergarten auch immer wieder Praktikantinnen oder Praktikanten. Die meisten wollen freiwillig in den Wald. Aber wir hatten auch mal zwei junge Männer, die kamen mit den weissen Sneakers und dem Handy in den Wald, auf welchem sie die ganze Zeit rumgescrollt sind. Da habe ich gedacht: Wie Du da rumläufst, da wirst Du nie Erzieher und im Wald schon gar nicht. Aber die wollten sich das halt mal angucken. Ich hatte auch eine Praktikantin, die ist dieses Jahr sechzig geworden und die würde gerne im Wald bleiben und arbeiten. Aber das Problem ist, dass ihre Enkelin auch da ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Betreuung eigener Kinder oder Enkel in derselben Gruppe eher schwierig ist, insbesondere wenn es dann um Entwicklungsgespräche geht.

Auch wenn das Interesse am Waldkindergarten da ist: Für meine Nachfolge wurde leider noch niemand gefunden. Die Stelle ist nun zum zweiten Mal ausgeschrieben. Ich bin sehr erstaunt darüber, denn ich dachte, für den Wald, da muss man doch jemanden finden!

Bis jetzt vermisse ich den Wald nicht, ich halte mich nämlich weiterhin darin auf. Ich habe einen Hund und darf dadurch jeden Tag eine Stunde im Wald spazieren gehen. Aber die Kinder, die vermisse ich schon.

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Ob als Waldspielgruppenleiterin, Waldkindergärtnerin, Lehrperson, Pädagogen und Erwachsenenbildner oder Draussen Familien, alle finden nahrhaftes Wissen bei uns.

Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber

Redaktionelle Gestaltung und Umsetzung: Nadja Hillgruber

Bildnachweis: © Anja Weber und Nature Flow – Natürlich neugierig!

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