Santiago de Chile: Wir brauchen Menschen die Spanisch lernen wollen und Kinder lieben!

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Matias Knust gründete 2018 die Stiftung in Chile
Matias Knust gründete 2018 die Stiftung in Chile

Interview with Matias Knust in English

Kinder sollten nicht in Betonwüsten ausgestattet mit Plastik in den Kindergarten gehen, dieser Auffassung ist Matias Knust aus Santiago de Chile. Seit der Soziologe, der in Bonn/Deutschland geboren wurde und seine Kindheit in Chile verbrachte, von seinem Stipendium aus Norwegen in seine Heimat in Südamerika wieder zurückkehrte, will er unbedingt aus Kindergärten, authentische Waldkindergärten wachsen lassen. Bislang gibt es in diesem Land noch keine Waldkindergärten und zusammen mit seiner frisch gegründeten Stiftung CIFREP Children’s International Foundation for Research, Education and Peace (www.cifrep.org) möchte er das ändern.

«Chile erlebt in seiner Denkweise nun einen Wendepunkt im Bildungssystem zur Naturpädagogik, zum Outdoor Play and Learning und zum Waldkindergarten als natürlichen nächsten Schritt»

«Chile erlebt in seiner Denkweise nun einen Wendepunkt im Bildungssystem zur Naturpädagogik, zum Outdoor Play and Learning und zum Waldkindergarten als natürlichen nächsten Schritt», sagt uns Matias Knust im Interview mit der Infothek Waldkinder via skype. Er erzählt uns, dass seine Eltern bereits im Jahr 2001 einen Streichelzoo (www.granjaventura.cl) gegründet haben. Das ist ein kleiner Park, der westlich am Rande der Stadt Santiago de Chile am Fusse der Anden liegt. Die Familien finden dort Bauernhofatmosphäre vor mit Pferden, Hühnern, Schafen, Alpakas, Lamas und Kaninchen, die sie streicheln können.

Das Areal von Granjaventura bietet viele Möglichkeiten, damit sich die Kinder spielend experimentieren können. Deshalb ist vor Matias Knust, der ideale Platz den Waldkindergarten dort zu eröffnen.
Das Areal von Granjaventura bietet viele Möglichkeiten, damit sich die Kinder spielend experimentieren können. Deshalb ist vor Matias Knust, der ideale Platz den Waldkindergarten dort zu eröffnen.

Matias Knust selbst gibt an Universitäten Unterricht für Bachelorstudenten und übersetzt pädagogische Fachbücher ins Spanische um die Lehre und die Methoden der Wald-, Natur- und Wildnispädagogik in Chile bekannter werden zu lassen. Er gründete die Stiftung CIFREP, zusammen mit einer Soziologin aus dem Bildungsministerium und eine Tänzerin die Universitätsunterricht macht, um wichtige Schritte in der Bildungslandschaft von Chile zu initieeren.

«Schule kann auch anders», sagt Matias Knust.

Er glaubt auch, wir müssen weltweit ein grosses Netzwerk bilden, um die Ideen positiv zu unterstützen. Als Repräsentant des norwegischen Films «Kindheit» in Chile, der 2018 in die deutschen Kinos kam, holt er den Film auch in sein Heimatland. Er ist davon überzeugt, dass die Menschen, wenn sich der Film in Chile verbreitet, verstehen «Schule kann auch anders», sagt uns Matias Knust.

Infothek Waldkinder: Wir haben den Eindruck, bei dir keimen viele gute, verbundene und bewusste Ideen. Welche Vision willst du erreichen?

Matias Knust: Ich habe die Vision, dass sich das Konzept von Waldkindergärten in Chile verbreiten soll. Mit unserer Stiftung und dem Projekt des Films «Kindheit» bin ich auch im Süden von Chile mit Universitäten in Kontakt. Dort gibt es ein ähnliches Klima wie im Süden Norwegens. Ausserdem arbeite ich an einem Buch über «draussen spielen», dass ich ins Spanische übersetzte. Ich möchte so eine unterstützende Übersicht geben, die dabei helfen soll, den Bildungsprozess hier neu zu initiieren. Der Lehrplan der Kindergärten hier in Chile hat inhaltlich mit Natur zu tun aber fast immer unterdacht. Vieles findet in den Kindergärten, im Haus oder im Raum statt und ist vorgeschrieben. Der Bezug zur Natur fehlt.

Ich habe die Vision, dass sich das Konzept von Waldkindergärten in Chile verbreiten soll.

Das möchte ich in Chile ändern. Es gibt auch bereits eine immer grösser werdende Bewegung in Chile, die das unterstützt. Zu wenig wird auch das freie Spiel unterstützt. Im kognitiven Bereich wird viel gearbeitet und gelehrt, statt das freie Spiel zu unterstützen. 

Matias Knust, Soziologe, geboren in Deutschland und lebt seit seiner Jugend in Chile. Mit der Infothek Waldkinder sprach er via skype im Interview. Hier ist er auf dem Foto in dem Streichelzoo seiner Eltern „Granjaventura“ zu sehen
Matias Knust, Soziologe, geboren in Deutschland und lebt seit seiner Jugend in Chile. Mit der Infothek Waldkinder sprach er via skype im Interview. Hier ist er auf dem Foto in dem Streichelzoo seiner Eltern „Granjaventura“ zu sehen

Sind deiner Meinung nach die Erzieher bzw. Pädagogen in Chile dafür entsprechend ausgebildet?

Wir haben hier keine Pädagogen, die Erzieher fachgerecht für Waldkindergärten ausbilden können. Es braucht in Chile viel Überzeugungsarbeit, was die Natur-, Wald- und Wildnispädagogik anbelangt, die bei der Entwicklung für die Kinder positives auslöst. Hier an der Universität gibt es bisher irgendwie nur eine Pädagogik, die gelehrt wird, in der ein bisschen über Montessori- und Waldorfpädagogik gelehrt wird, auch andere, aber es fehlt ganz dringend die Pädagogik des Waldkindergartens!

Wenn diese Pädagogik bei euch an den Universitäten fehlt, welche fatalen Auswirkungen siehst du hier für die Kinder?

Die Kreativität von Kindern verhungert, wenn Kinder nicht die Möglichkeit haben, sich selber kreativ einzubringen. Die Gesellschaft braucht kreative Menschen, um sich zu entwickeln. Hier in Chile können Kinder sich nicht ausreichend selbstwirksam einbringen, weil fast alles durch das System geregelt ist. Es fehlt an grünen Flächen in den Städten und viel zu viele Leute haben kaum kontakt zur Natur, zur Stille. Es fehlt das Weitsehen können und wollen. In Santiago haben wir die wunderschönen Anden, die sehr nah an der Stadt liegen, aber von den 7 Millionen Menschen, die hier leben gehen kaum welche Ski fahren oder in den Bergen wandern. Das möchten wir helfen zu verändern!

Die Kinder lieben den direkten Kontakt zu den Tieren. Für die sonst sehr kognitiven Lehre in der Schule, ist Granjaventura eine willkommene Abwechselung für die Kinder.
Die Kinder lieben den direkten Kontakt zu den Tieren. Für die sonst sehr kognitiven Lehre in der Schule, ist Granjaventura eine willkommene Abwechselung für die Kinder.

Wie könnte die Unterstützung für dich aussehen?

Wenn man bedenkt, dass hier in Chile die Naturvölker der Mapuche, was so viel heisst wie «Menschen der Erde» seit jeher respektvoll und bewusst im Umgang in enger Beziehung mit der Natur leben, wollen wir das Konzept des Waldkindergartens hier etablieren. Es gibt kleinere Projekte in Chile, die beispielsweise am Wochenende mit Kindern draussen unterwegs sind, oder Sommer bzw. Winter Schulen. In der Stadt Concepción gibt es im Deutschen Club «Bosque Escuela Kawanash» am Wochenende Naturangebote, aber leider gibt es noch keinen

Dafür brauche ich die Unterstützung von Erziehern und Erzieherinnen und Pädagogen aus Deutschland, Schweiz, Spanien, Skandinavien und anderen europäischen Ländern…

Waldkindergarten, der von Montag bis Freitag, bei Wind und Wetter, mit den Kindern draussen ist. Der Park meiner Eltern liegt am Berg mit Wald umgeben, dort habe ich die Idee einen Waldkindergarten ins Leben zu rufen. Dafür brauche ich die Unterstützung von Erziehern und Erzieherinnen und Pädagogen aus Deutschland, Schweiz, Spanien, Skandinavien und anderen europäischen Ländern. Mit ihrer Berufserfahrung können sie uns helfen hier einen Waldkindergarten aufzubauen. Der Vorteil des Parks ist, dass viele Schulen ihn besuchen. Sie können dann sehen, wie Kinder jeden Tag draussen spielen und lernen. Mit Hilfe unserer Stiftung CIFREP möchten wir Ressourcen aus Europa gewinnen.

Du suchst also erfahrene Praxisfachleute, um auf dem Hof deiner Eltern einen Waldkindergarten zu eröffnen. Wäre das in Santiago de Chile der erste Waldkindergarten?

Ja, das wäre er. Vielleicht gibt es irgendwo einen Kindergarten, den keiner kennt. Wir sind mit dem Projekt sicherlich Exoten, denn der Waldkindergarten, so wie ich ihn in Norwegen und Deutschland kennengelernt habe, erfüllt nicht die Qualitätsstandards eines gewöhnlichen Kindergartens hier in Chile. Bei uns stehen wir ganz am Anfang, wie damals Petra Jäger mit ihrem Waldkindergarten vor 25 Jahren in Flensburg oder ihr in der Schweiz vor über 20 Jahren mit euren Dusse Verusse Waldspielgruppen.

Wie sieht es mit interessierten Eltern aus, die ihre Kinder zu euch in den Waldkindergarten schicken würden – gibt es die?

Ich bin überzeugt, wenn wir starten, werden weitere Waldkindergärten folgen…

Ich werde ständig gefragt, wann eröffnet ihr endlich euren Waldkindergarten. Die Eltern sind sehr interessiert. Durch das gesellschaftliche Bewusstsein, dass der Mensch eine enge Beziehung zur Natur entwickeln muss, sind wir in unserer Denkweise an einem Wendepunkt angelangt. Ich bin überzeugt, wenn wir starten, werden weitere Waldkindergärten folgen. Es ist auch die Idee, das globale Netz zu fördern, was auch das Ziel unserer Stiftung CIFREP ist.

Gärten sind nicht nur zum Spielen da, denn Kinder lernen hier auch den Umgang mit der Natur. Und das Schönste: Wenn die ersten selbstgesäten Pflänzchen spriessen und eigenes Gemüse geerntet werden, sind die kleinen Gärtner glücklich
Gärten sind nicht nur zum Spielen da, denn Kinder lernen hier auch den Umgang mit der Natur. Und das Schönste: Wenn die ersten selbstgesäten Pflänzchen spriessen und eigenes Gemüse geerntet werden, sind die kleinen Gärtner glücklich

Wie wirst du den Waldkindergarten organisieren? Wie lange werden die Kinder dort den Kindergarten besuchen?

Viele Schulen sind mit dem Kindergarten integriert. Das heisst, die Kinder müssen den Kindergarten von dieser bestimmten Schule besuchen, damit sie anschliessend weiter auf diese Schule gehen dürfen. Es gibt alternative Schulen, wie die Waldorfschulen, die die Kinder unseres Waldkindergartens anschliessend besuchen könnten. Die Zukunft ist, dass nach dem Besuch des Waldkindergartens die Kinder eine weiterführende Waldschule besuchen können. Ich denke, wir müssen jetzt den Anfang machen.

Wir brauchen Menschen, die Spanisch lernen wollen und Kinder lieben.

Das eröffnet auch ganz neue Chancen, neue Wege in Chile zu gehen. Daher auch der Aufruf an europäische pädagogische Unterstützung mit praxiserfahrenen Pädagogen, die nach Chile kommen sollen. Wie stellst du dir diese Pädagogen vor?

Wir brauchen Menschen, die Spanisch lernen wollen und Kinder lieben. Meine Vorstellung ist, dass die Personen mindestens 1 Jahr bei uns hier in Chile sind. Das ist auch am besten für die Kinder. Ich denke an 2-3 Erzieher für den Anfang. Wir organisieren ihnen die Unterkunft und sie helfen uns beim Aufbau und der Organisation des Waldkindergartens.

Wer Interesse hat und sich zur Unterstützung beim Aufbau von Waldkindergärten in Santiago de Chile bewerben möchte, meldet sich mit seinen aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen direkt bei Matias Knust.

Bewerbungen für Chile per Mail an: matias.knust@cifrep.org

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Die Infothek Waldkinder ist ein Projekt unter dem Dach der Feuervogel Genossenschaft
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Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber

Redaktionelle Gestaltung und Umsetzung: Nadja Hillgruber, www.infothek-waldkinder.org

Bildnachweis: Fotografie © Matias Knust

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