L’asilo nel bosco – Waldkindergärten in Italien

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Infothek Waldkinder: Kannst du uns erklären was „L’asilo nel bosco“ für eine naturpädagogische Einrichtung ist?

L’asilo nel Bosco: “L’Asilo nel Bosco” ist ein Waldkindergarten (Kindergarten / Vorschule für Zwei- bis Sechsjährige), der dieses Jahr mit der Grundschule “Piccola Polis” (für Sechs- bis Zehnjährige) zusammengefasst wird. Das Projekt wurde von der Naturpädagogik der nordeuropäischen Länder (Deutschland und Skandinavien) und von der Erlebnispädagogik inspiriert.

Was genau macht ihr?

Ein gewöhnlicher Tag beginnt mit der Entscheidung darüber, welche Aktivitäten zusammen gemacht werden. Die Aktivitäten beginnen nach einer kleinen Zwischenmahlzeit um zehn Uhr (dadurch, dass es bei uns keine strenge Zeitregelung gibt, können die Kinder auch mal ein bisschen länger schlafen und nach Möglichkeit ein bisschen mehr Zeit mit ihren Eltern verbringen).

…jedem steht es frei, seine Spielgefährten und Aktivitäten selbst zu wählen

Nach den Aktivitäten essen alle Kinder gemeinsam auf der großen Lichtung. Der Nachmittag ist für die Freizeit reserviert und er ermöglicht jedem Kind, zu tun was es möchte: Laufen, spielen, schlafen, alleine sein oder Zeit mit anderen zu verbringen, jedem steht es frei, seine Spielgefährten und Aktivitäten selbst zu wählen. Die Kinder im freien Spiel zu beobachten, ist für die Pädagogen ein besonders nützliches und wichtiges Moment des Tages. Am Nachmittag gehen die Kinder mit ihren Eltern nach Hause.

Seit wann gibt es euren Waldkindergarten?

Der Kindergarten “L’asilo nel Bosco” wurde 2013 eröffnet.

Seid ihre eine öffentlich anerkannte Einrichtung?

Wir sind eine private Institution, die weder von der lokalen, noch von der zentralen Regierung finanziell unterstützt wird, und unsere Mittel bestehen ausschließlich aus Spenden und den Gebühren, die wir von den Eltern erhalten. Gleichzeitig verfügen wir auch über eine “öffentliche” Struktur, denn wir lehnen grundsätzlich kein Kind aus finanziellen Gründen ab. Zur Zeit bezahlen 60% der Familien die vollen Gebühren, um diejenigen zu unterstützen, die sie sich nicht leisten können. Diejenigen, die finanziell nicht dazu in der Lage sind, die Gebühren zu bezahlen, stellen stattdessen ihre Zeit und Hilfe zur Verfügung (Kochen, Mahlzeiten zubereiten, Wartung, etc. …). Wir sehen dies als eine schöne Geste gegenüber der Gemeinschaft.

Mit wieviel Kindern in verschiedenen Altersstufen seid ihr unterwegs? Wie alt sind sie?

Insgesamt betreuen wir 70 Kinder. Im Kindergarten haben wir die Altersgruppen 2-3 und 5-6 (ca. 45 Kinder). In der Grundschule variiert das Alter der Kinder zwischen 6 und 7-8 (“Piccola Polis” mit 25 Kindern).

Wieviel Pädagogen betreuen die Kinder?

In Italien erfordert das Gesetz, dass ein Erzieher für 25 Kinder zuständig ist. Diese Anzahl erscheint uns vollkommen unwahrscheinlich. Bei so einem hohen Betreuungsschlüssel ist es fast unmöglich, den Kindern eine gute Erziehung zu geben. Darum kümmern sich bei uns stattdessen 6 Erzieher um die Kindergartenkinder und 4 um die Kinder der Grundschule. Unser Betreuungsschlüssel liegt damit bei einem Erzieher für maximal 7-8 Kinder.

…wir haben Musiker, Künstler, Tischler und Leute aus ähnlichen Bereichen

Über welche Qualifikationen verfügen die Pädagogen?

Die Erzieher sind nach den Maßstäben des italienischen Gesetzes ausgebildet. Gleichzeitig haben wir auch Erzieher, die aus anderen Berufen kommen und alternative Kompetenzen und Fähigkeiten mitbringen. So haben wir zum Beispiel Musiker, Künstler, Tischler und Leute aus ähnlichen Bereichen. Wir haben viele Studenten, Volontäre und Praktikanten.  

Die Waldsofas der Dusse Verusse Spielgruppen haben ein Feuerstelle in der Mitte, um das Mittagessen auf dem Feuer zu kochen.
Die Waldsofas der Dusse Verusse Spielgruppen haben ein Feuerstelle in der Mitte, um das Mittagessen auf dem Feuer zu kochen.

In der Schweiz sind unsere Dusse Verusse Waldspielgruppen (3-5 jährige Kinder) in den Wäldern unterwegs. Schutz bietet der Gruppe ein Waldsofa. Bei Regen wird eine Plane als Dach gespannt. Wir sind in einer Gruppengrösse von 10-12 Kinder mit 2 Naturpädagogen, je nach Standort 1-3 Mal pro Woche, 5 Stunden in der Natur. Wir kochen mit den Kindern das Mittagessen über dem Feuer. Kocht ihr auch mit den Kindern über dem Feuer?

Das Parlament hat einen Plan B gefordert, der aber noch nicht umgesetzt wurde. In Italien darf man weder im Wald, noch am Strand ein Feuer machen. Wir machen oft ein Feuer, aber nur auf unserem Grundstück und nah an unserem Gebäude, es ist der einzige Platz, an dem es uns erlaubt ist.

Was ist das Lieblingsgericht eurer Kinder im Wald?

Das ist eine lustige Frage! Unsere Kinder lieben Pastagerichte mit Kürbis. Nun, sie bekommen bei uns Pastagerichte, Fleisch, Fisch und Gemüse, hauptsächlich Gemüse aus der näheren Umgebung. Um noch einmal auf das Essen zurückzukommen: Wir nehmen unsere Mahlzeiten auch oft in der Natur ein, aber in unserem Fall nehmen wir vorbereitete Gerichte mit, die wir draußen essen können, ohne sie aufwärmen zu müssen.

Seid ihr ausschliesslich in der Natur mit Kindern oder habt ihr auch Innenräume zur Verfügung?

Zu 95% unserer Zeit sind wir mit den Kindern draußen und veranstalten Aktivitäten. Aber natürlich haben wir auch Innenräume. Es liegt an den Kindern, zu entscheiden, ob sie die Zeit drinnen oder draußen verbringen wollen, meistens entscheiden sie sich für draußen, ihre Neugier gewinnt die Oberhand.

Welche unterschiedlichen Arten von Orten stehen euch in der Natur zur Verfügung, die ihr zusammen mit den Kindern besuchen könnt?

Wir sind umgeben von Pinienwäldern und einem Fluss (Tiber), ansonsten gibt es einige Bauernhöfe, wo Gemüse angebaut wird. All diese Orte können wir besuchen. Ganz in der Nähe, auf der anderen Seite der Landstraße, ist ein Reitstall, und eine mittelalterliche Kleinstadt hat ihre Tore für Besucher geöffnet, jedoch nicht für Autos.

Nach welchen Methoden der Wald- und Naturpädagogik arbeitet ihr?

Wir richten uns nicht so sehr nach einer spezifischen pädagogischen Methode. Wir glauben stattdessen an die Einzigartigkeit jedes einzelnen Kindes und an die Unterschiede, der verschiedenen Gemeinschaften und Regionen, die uns alle prägen. Wir sind vor allem durch Waldspielgruppen aus Skandinavien und Deutschland inspiriert und kombinieren diese Ideen mit Methoden aus lateinamerikanischen Schulen (freier Unterricht), aber einige Gedanken bekommen wir auch von anderen pädagogischen Methoden, so zum Beispiel Montessori, Rousseau und Steiner. Unser Lehrer ist die Natur, weil sie uns Material gibt und unsere Imagination anfeuert.

Eure Fotos auf eurer Homepage drücken sehr viel Naturverbundenheit bei eurer Arbeit mit den Kindern aus. Was ist das Besondere an eurer Einrichtung?

Wir haben 70 Familien und bilden eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig umsorgt, füreinander da ist und miteinander kooperiert

Ich denke, an unserer Einrichtung ist vieles besonders, aber wenn ich eine Sache nennen soll, dann diese: Wir haben 70 Familien und bilden eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig umsorgt, füreinander da ist und miteinander kooperiert, um dieser wunderbaren kleinen Welt das Wachsen zu ermöglichen.

“Less is more” ist das Motto, wenn ihr mit den Kindern draußen seid. Spielen mit dem was die Natur schenkt und das Freie Spiel steht im Vordergrund. Was sind eure Erfahrungen damit?

Unsere Werkzeuge und Spielzeuge stammen aus der Natur. Wir folgen den Pfaden von Tieren, wir entdecken neue Gemüsesorten, wir sammeln Blätter und Zapfen aus dem Wald. Wir erfinden auch Geschichten über diese “Geschenke” und wir verwenden Emotionen, um zu erklären, was die Natur uns bietet.

Wir sehen es außerdem als wichtig an, die Eltern in unsere Begeisterung für die Natur einzubeziehen und locken sie mit unseren Angeboten. Welche Angebote habt ihr speziell für Eltern und Kinder?

Die Eltern sind Teil des erzieherischen Weges, wir binden sie in Aktivitäten ein, in die Planung, sowie in die Probleme und die Erfolgserlebnisse ihrer Kinder. Gemeinsam gehen wir eventuelle Schwierigkeiten an und entwickeln Pläne für die Weiterbildung.

…manchmal organisieren wir “Familienwochenenden in der Natur”

Wenn ihre Arbeit es erlaubt, können die Eltern täglich an unseren Aktivitäten teilnehmen und manchmal organisieren wir “Familienwochenenden in der Natur”, um unseren erzieherischen Ansatz mit der ganzen Familie zu teilen. Außerdem organisieren wir auch Workshops und Seminare für Erwachsene, bei denen Eltern ihre Fragen, Bedenken und Anregungen zu bestimmten Erziehungsmethoden oder -diskussionen mit der Gruppe teilen können.

Auf der Karte auf eurer Homepage sind 46 Plätze in Italien illustriert mit “Mappa delle Esperienze Educative in Natura”. Wie können wir diese Information der Karte verstehen?

Schätzungsweise folgen momentan rund 60 Kindergärten einem naturpädagogischen Ansatz. Sie sind unsere “Freunde”: Gemeinsam können wir mehr erreichen.

Darum haben wir ein Netzwerk von unterschiedlichen Kompetenzen und gegenseitiger Unterstützung aufgebaut.

Einige dieser Leute befinden sich noch in der Entwicklung dieser Art von Erziehungsmethode und sie haben Anfängerprobleme, die andere vielleicht bereits gelöst haben. Darum haben wir ein Netzwerk von unterschiedlichen Kompetenzen und gegenseitiger Unterstützung aufgebaut. Zusammen organisieren wir Kurse, Workshops und so weiter.

Arbeiten alle Waldspielgruppen nach dem gleichen Konzept?

Nein. Wir sind kein “Franchise-Unternehmen”, wir haben alle unsere individuellen Aktivitäten und Erfahrungen. Jeder benutzt seine persönlichen Fähigkeiten, um zu erkennen wie der Kindergarten am besten vorangebracht werden kann. Darüberhinaus haben wir Zugang zu sehr unterschiedlichen Landschaften, nicht alle Leute haben einen Pinienwald zur Verfügung, einige arbeiten stattdessen in den Bergen oder nah am Meer. Italien hat Dutzende verschiedenster Landschaften anzubieten und alle Landschaften können die Naturpädagogik mit ihren Impulsen bereichern.

Das Schlüsselkonzept ist, “Teil der Natur” zu sein und der “Natur zu erlauben, dass sie uns erzieht”

Das Schlüsselkonzept ist, “Teil der Natur” zu sein und der “Natur zu erlauben, dass sie uns erzieht”, jeder von uns kann dazu diejenige Methode wählen, die ihm oder ihr am passendsten erscheint, indem er oder sie sich von der Natur leiten lässt.

Wie vernetzt ihr euch untereinander bzw. wie tauscht ihr euch untereinander aus?

Wir waren die ersten im “Asilo nel bosco”, daher waren wir naturgemäß die Stelle, an der alle Informationen zusammenliefen, aber mittlerweile ist das Netzwerk gewachsen und eigenständig geworden. Neue Orte sind dazugekommen, wir machen unsere Erfahrungen mit neuen Aktivitäten und das Team wächst jenseits unserer Kontrolle weiter. Es ist eine großartige und zutiefst befriedigende Erfahrung. Unser Projekt war ein Baby, aber jetzt ist es Kind und wächst auf und eines Tages wird es ein reifer Erwachsener sein!

Unser nächstes Ziel ist es, die Regierung davon zu überzeugen, dass wir klare Regelungen und Gesetze brauchen, damit diese Art von Bildung in jeder Stadt in Italien wirklich öffentlich wird.

Unser nächstes Ziel ist es, die Regierung davon zu überzeugen, dass wir klare Regelungen und Gesetze brauchen, damit diese Art von Bildung in jeder Stadt in Italien wirklich öffentlich wird. Momentan bezieht das Gesetz Naturpädagogik nämlich nicht ein, wir arbeiten nach den Standardgesetzen für Kindergärten, die sich nur auf die Gebäude beziehen! Wir arbeiten alle zusammen, um dies zu ändern.

Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber

Redaktionelle Gestaltung und Umsetzung: Nadja Hillgruber, www.infothek-waldkinder.org

Bildnachweis: Fotografie © L’asilo nel bosco / Infothek Waldkinder

Das digitale Fachblatt ist in seinem 9. Erscheinungsjahr

Die Infothek Waldkinder - Informationsplattform Naturpädagogik ist ein Projekt der Feuervogel Genossenschaft für Naturpädagogik
Die Infothek Waldkinder – Informationsplattform Naturpädagogik ist ein Projekt der Feuervogel Genossenschaft für Naturpädagogik
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