„Einfach tun, was richtig ist. Einfach sagen, was man denkt. Einfach ist nicht leicht. Einfach ist am schwersten!“ Kinder kommunizieren richtig und bekommen trotzdem das Gefühl, dass es falsch ist, ihre Gedanken in unserer Erwachsenenwelt offen auszusprechen. Später verlernen sie es und ziehen sich den Mantel der alten Muster über. Als Erwachsene ärgern wir uns, nicht zu sagen, was wir denken und fühlen. Anfang März kommt Bastian Barucker und Dado Jade nach Zürich und mit ihnen kann der alte, schwere und vergilbte Mantel der Sprachangst abgelegt werden. In ihrem Seminar übt man ehrlich, geradeheraus und respektvoll mit seinen Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und Projektionen umzugehen. Wir haben mit Bastian Barucker von der Wildnisschule Waldkauz gesprochen und wollten genauer wissen, was die Teilnehmer in seinem Seminar erwartet.
Infothek Waldkinder: Die Sprache des Herzens. Was meinst du, ist die Ursache, dass es Menschen so schwerfällt, das zu sagen, was sie tatsächlich fühlen und denken?
Bastian Barucker: Aus meiner Erfahrung und auch aus meinen Kursen, kann ich sagen, es ist grösstenteils die Angst. Die Ängste haben verschiedene Ursachen. Entweder kennen die Menschen aus frühkindlichen Erfahrungen, die Ursache ihrer Ängste gar nicht. Denn sie haben früh gelernt, dass ihre Emotionen, ihre Gedanken nicht richtig waren und nicht gut sind oder die Stimme der Eltern, wird zur eigenen Stimme.
Ursache der Ängste kennt man gar nicht…
Wenn die Bezugsperson früher oft genug an den emotionalen Äusserungen der Kinder zweifelte oder sie in Frage stellte, dann stellen sie sie irgendwann selber in Frage. Als Beispiel, gibt es diese Aussagen wie, „Du brauchst nicht traurig sein! Reg dich nicht so auf! Brauchst keine Angst zu haben!“ Das sind Sätze, die das Kind nicht dabei unterstützen, wie es ihm gerade geht oder warum es Angst hat.
Ist diese Angst auch eine Art Flucht?
Ja, das geht in die Richtung. Man fragt sich, wenn ich jetzt meine Gedanken sage, ist mein Gegenüber dann enttäuscht, verärgert oder fühlt sich jemand durch meine Kritik angegriffen? Uns beschäftigt mehr die Frage, wie mein Gegenüber reagiert, als wie es uns selbst geht, wenn wir aus Angst nichts sagen.
Kann ich mir das so vorstellen, weil diese Muster aus der Kindheit gespeichert sind, möchte man die Reaktion von seinem Gegenüber vermeiden?
Genau! Erlebe ich als Kind die Antwort auf mein Gesagtes: „Jetzt bin ich grad sauer, was du mir sagst!“. Der Grund für diese Antwort kann sein, weil mein Gegenüber nicht mit meinen Worten umgehen kann oder selbst damit überfordert ist. Beim nächsten Mal überlegt sich das Kind auf jeden Fall, sage ich das nun oder nicht. Wenn ich als Kind nicht die Möglichkeit habe, das zu üben oder sich darüber bewusst zu werden, kann es sein, dass es als Erwachsener einfach so
Wir haben ein Jahr in Amerika in der Wildnis gelebt…
weiterkommunizieren wird. Das ist für mich auch der grosse Grund und weshalb ich das so wichtig sehe, dieses Seminar anzubieten. Ich habe das ja im Zuge des im-Wald-Lebens gelernt. Wir haben ein Jahr in Amerika in der Wildnis gelebt. Mir wurde dort klar, dass eine gute und authentische Kommunikation für Beziehungen unabdingbar ist. Wenn ich mich gar nicht den Menschen gegenüber äussere, die mir wichtig sind, führt das oft zu weniger Beziehung. Wir Menschen sind Gemeinschaftswesen und uns fehlt etwas, was für uns existenziell ganz wichtig ist, eine schöne, vertrauensvolle, authentische Beziehung.

In unseren Dusse Verusse Waldspielgruppen erleben wir die 3-5-jährigen Kinder mit einer natürlichen, schonungslosen und klaren Offenheit. Was können wir Erwachsenen uns an der Sprache der Kinder abschauen?
Ich habe dazu kürzlich auch erst eine spannende Erfahrung gemacht, als im Familienbund von der Nichte etwas ausgesprochen wurde, was alle wissen und keiner traut sich es zu sagen. Die Impulsivität, Authentizität und Spontanität sind auf jeden Fall Qualitäten, die wir als Erwachsene von Kindern lernen können. Vor allem von denjenigen, die die Eigenschaften noch nicht verlernt haben, das auch zu tun. Was ich jedoch meine, wir sollten nicht so kommunizieren wie die Kinder,
Impulsivität, Authentizität und Spontanität…
wir sind nun mal Erwachsene. Ich finde die Aufgabe unseres Erwachsenenteils ist es, sich die Spontanität der Kinder zu bewahren, dabei in respektvoller und guter Art und Weise, miteinander zu sprechen. Dabei ist es die Kunst sich diese Kommunikation anzueignen.
Wie gelingt es die Kunst dieser Kommunikation anzuwenden ohne sich zu verbiegen?
Es gibt die Tendenz bei ganz vielen Menschen, die ich jedenfalls erlebe, lange Zeit nicht sehr ehrlich gewesen zu sein. Auf einmal entdecken sie, wieder Gedanken, die in ihnen schlummern, die sie sich nicht trauten zu sagen oder zu erzählen. Das können auch Wünsche, Meinungen oder Emotionen sein. Sie holen zu einer Gegenreaktion aus,
Wünsche, Meinungen oder Emotionen schlummern in uns…
schlagen auf den Tisch, sprechen aus, was schon immer in ihnen verborgen blieb. Das ist die extreme Art und Weise. Irgendwann nach einer Weile formt sich so ein goldenes Mittelmass, dass sie es schaffen ehrlich und respektvoll zu sein. Das ist auch der Grund, warum es Kunst heisst in der Kommunikation. Es ist trotz allem ein Handwerk und die Kunst ehrlich zu sein und dies in guter Verbindung.

Die Lösung dieser Art durch Kommunikation scheint so einfach zu sein. Dennoch fressen wir lieber alles in uns hinein, verletzen uns selbst, statt ehrlich und selbstverantwortlich Gespräche zu führen. Wie kann man das wiedererlernen?
Ich glaube, grundsätzlich haben alle den Wunsch authentisch zu sein. Eine ehrliche Kommunikation interessiert viele Menschen. Sich so zu zeigen, um mit anderen Menschen eine gute Beziehung zu haben. Wenn ihnen das selbst auffällt, merken sie, das ist der Weg für ein schöneres Leben. Mir fällt auf, der Mensch neigt dazu eine interne Rechnung für sich aufzustellen:
Welcher Nutzen hat es ehrlich zu sein?
Welcher Nutzen er davon hat ehrlich zu sein? Welche Konsequenzen hat es, wenn der andere sauer ist? Wird dabei das Bewusstsein geweckt, wenn sie nichts sagen, leben sie nicht im Augenblick, sind in keiner guten Verbindung mit sich und fühlen sich unzufrieden. Obwohl es ihnen wichtig wäre, sprechen sie es nicht aus. Das sind die ersten Schritte, sich legitim zu hinterfragen: Was und wie könnte ich denn ehrlich sein?
Verstehe ich das richtig, dass der Mensch durch dieses Bewusstsein einen inneren Prozess bei sich auslöst, es wird etwas in Gang gesetzt, um die Kommunikation zu ändern?
Genau! Es ist ein sich inspirieren lassen, wie würde sich das anfühlen, wenn ich ehrlich wäre. Es geht ja auch darum, ehrlich Wünsche zu äussern, die ich gerne hätte oder was mich freuen würde. Wenn ich hier die Inspiration gefunden habe, die uns gut tut, geht es darum dies zu üben und Menschen zu finden zu denen man sagt:
…ehrlich Wünsche äussern…
“Hey, du bist ein guter Freund von mir, ich möchte ganz ehrlich zu dir sein. Kannst du dir vorstellen, dass ich dir sage, wie es mir geht, auch wenn etwas komisch zwischen uns läuft?“ Ein ganz wichtiger Teil der Kommunikation ist auch die andere Seite, wenn es um Kritik geht. Es braucht immer beide Seiten. Bei unseren Seminaren ist es so, das 50% das Zuhören ist.
Schritt-für-Schritt, wirst du zusammen mit Dado Jade an eurem „Truthspeaking-Wochenende“ die Teilnehmer an die Essenz der Kommunikation heranführen. Woher schöpft ihr eure Erfahrung für dieses Seminar?
Ein wichtiger Faktor ist, dass wir beide, ein Jahr lang im Wald mit einer Gruppe gelebt haben. Dort wurden wir in die Sprache des Herzens eingeführt. Wir haben gelernt, wie die Kommunikation als Gruppe wieder aussehen kann. Das ist ein grosser Erfahrungshintergrund den wir mitbringen.

Was waren das für Menschen mit denen ihr in der Gruppe im Wald ein Jahr verbracht habt?
Das war eine bunt gemischte Gruppe. In der Wildnis konnten wir jeden Tag im Alltag üben und lernen. Darüber hinaus habe ich seit 5 Jahren eine Ausbildung in Gefühls- und Körperarbeit bei Willi Maurer in der Schweiz. Dieses Wissen hat einen grossen Einfluss darauf, zu erfahren, woher unsere Kommunikation ihren Ursprung hat und wie ich als Erwachsener bewusster kommunizieren kann. Diese Erfahrungen vereinen sich auf eine schöne Art und Weise in diesem Seminar.
Dieser Prozess mit dem Herzen sprechen zu lernen hat viel mit Vertrauen und sich öffnen zu tun. Welchen Mut kannst du Interessierten geben, sich auf euer Seminar einzulassen?

Grundsätzlich steckt in diesem Wort „Vertrauen“, das Wortteil „trauen“. Es braucht die Bereitschaft sich von sich aus zu trauen. Selber zu trauen. Sicherzustellen, dass dort ein sicherer Rahmen ist und die Gruppengrösse angemessen ist. Alles was dort geschieht, soll gut von den anwesenden Leitern aufgehoben sein. In der Gruppe gemeinsam wird entschieden, was wir lernen wollen.
…Fünkchen Mut und Lust neues auszuprobieren…
Als Leitung machen wir Vorschläge und Angebote und jeder kann schauen, ob er da als Teilnehmer mitgeht oder nicht. Mit Ideen helfen wir in die eigene Wahrnehmung der Wahrheit zu gelangen. Es braucht das Fünkchen Mut, um es anzunehmen. Kinder, wenn sie keine anderen Erfahrungen gemacht haben, erkunden ihre Welt, wenn sie sich sicher verbunden fühlen. Wir brauchen Leute, die sagen, „Ja, ich habe Lust was Neues auszuprobieren!“
Wo findet das Seminar statt?
Wir sind in den Räumlichkeiten eines Kindergartens in Zürich. Der Ort ist gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Es ist eine 3-tägige Veranstaltung inklusive Mittagessen in Bioqualtität. Die Übernachtungen organisieren sich die Teilnehmer selbst.
Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber
Interview, Gestaltung und Umsetzung: Nadja Hillgruber, www.infothek-waldkinder.org
Bildnachweis: Fotografie © Bastian Barucker
Das digitale Fachblatt ist in seinem 8. Erscheinungsjahr
