Intothek Waldkinder: Liebe Eva, vielen Dank für deinen berührenden Vortrag am Fachforum in St.Gallen. Wie fühlst du dich gerade hier im Wald im Notkersegg nach der Fülle und den Dialogen am Vormittag in der Lokremise?
Eva Helg: Es ist unheimlich schön, hier mit den Menschen im Wald zu sein. Die Begeisterung und Freude zu spüren und die Neugier, was sie in den Workshops erwarten wird. Ich habe das Gefühl es ist einiges in Bewegung und es kommt ins Laufen und das finde ich ist ansteckend.
Ihr habt etwas in Gang gesetzt. Dieses Jahr mit dem 3. Fachforum und ich höre bei den Menschen die unterwegs sind «Ja, jedes Jahr treffen wir uns jetzt hier!» Das verpflichtet zum Weitermachen. Ist das schon die Vorfreude für 2018 in dem euer 20-jähriges Jubiläum stattfindet?
2018 werden wir feiern! Wir hatten Freitagabend vor dem Fachforum den Solar-Kino-Anlass mit dem Film «Schools-of-Trust». Vereinzelt waren kleinere und grössere Waldkinder von uns anwesend. Im Gespräch mit ihnen zeigte sich, wie nachhaltig sich die Waldzeit auf ihr Leben und ihrer Berufswahl ausgewirkt hat. Aus den Biographien, die wir von unseren Waldkindern mitbekommen, erleben wir die Zeit, die sie bei uns verbracht haben, wie eine kleine Pflanze, die in ihrem Leben angesiedelt ist. Diese kleine Pflanze haben wir, die Waldkinder St.Gallen, mit Wissen und Erfahrung die letzten 20 Jahre gehegt und gepflegt. Das wird 2018 in unserem Jubiläumsjahr zum Ausdruck kommen.
Wie können sich die Kinder diese Kostbarkeit, die sie bei euch in der Waldschule gelernt haben, später in einem anderen Lernsystem erhalten?
Ich habe den Eindruck es kommt auch der Zeitpunkt, an dem die Waldzeit abgeschlossen wird. Unsere Waldkinder freuen sich nach 5 Jahren Wald auf den Wechsel in die Regelschule. Alles ist wieder neu, wie z.B. Sport oder Fussball in der Turnhalle, Schulpausen und neue Freunde warten auf sie. Es wird für sie ein Unterschied sein, ob sie mit einer Lehrperson, ab und zu in den Wald gehen, denn das wird nicht das gleiche sein. Ich kann mir vorstellen, dass die Leidenschaft mehr in Freundschaften oder engagierten Hobbys übertragen und dort gefunden wird.
Wir haben etwas vorbereitet und möchten gerne mit dir ein Assoziationsspiel machen zu dem Thema «Bildung als Abenteuer-Klassenzimmer-Wald». Bist du bereit?
Ja, gerne, ich gespannt!
Was fällt dir dazu spontan ein «offenes Fenster»?
…da würde ich grad am liebsten herausspringen und frische Luft einatmen
…Klamme – kalte Finger?
Die Finger am besten warm reiben. Da fällt mir eine Geschichte dazu ein, als ich meinen ersten November als Waldlehrerin mit meinen Schülern Mittagessen zubereiten durfte. Wir hatten Schneeregen, es gab keinen Holzvorrat und das Feuer wollte einfach nicht brennen. In diesem Moment sind wir als Gruppe ganz stark zusammengewachsen. Alle haben mitgeholfen und ich selbst habe auch etwas dazugelernt.
…sich im Wald verlieren?
Das ist inzwischen für mich Luxus geworden. Als dreifache Mutter sind wir viel im Wald, aber so ganz allein für mich, um vielleicht mal Pilz zusammeln bin ich selten.
…Schlamm und Schule?
Es braucht eine gewisse Toleranz! Wir hatten mal ein Waldkind, das heute an der ETH studiert. Es kam an so einem Matschtag mit einem Metermass in den Wald und wollte ausmessen, ob es mit seinen Gummistiefel in den Bach springen kann, ohne dass Wasser hineinläuft. Am Schluss hat es nicht ganz geklappt – eben es braucht Toleranz.
…Feen und Zwerge?
Sie überraschen und begleiten uns. Ein Waldkind hat mir einmal eine Fee gezeigt und ich weiss, ich habe sie auch gesehen und die ganze Gruppe hat sie gesehen. Das sind so staunende Momente, auch wenn der Verstand etwas anderes sagt.
…Nähe und Distanz?
Für mich ist das natürlich! Auf die Frage bei anderen Kollegen hin, erfahre ich, dass es nicht mehr so natürlich als Pädagoge ist. Es braucht einen achtsamen, bewussten und reflektierenden Umgang…

…Neugier?
Es gibt so viel auf dieser Welt, was wir noch lernen können!
…fordern…fördern?
So etwas wird schnell ausgesprochen! Meistens wird gefördert. Es sollte eigentlich umgekehrt sein. Wenn wir ermutigen und vertrauensvoll den Lernweg mit dem Kind gehen, können wir auch fordern, «Ich weiss, du kannst das…» Ermutigen, neugierig machen, dann kommt alles andere von alleine.
…Pilzgörps?
Für die Waldkinder ist das eine starke Identifikationsfigur. Die Pilzgörps sind schon seit Marius Tschirky mit uns unterwegs. Diese Mythen pflegen wir auch im Gesamteam und sie sind für die Kinder sehr wichtig.
…Subjekt…Objekt?
Ich selber störe mich manchmal an dem Begriff Subjekt, denn wenn wir im Wald unterwegs sind, ist es mehr als nur «Subjekt». In unserer Struktur geht es mehr um das Wir-Gefühl, als auch mit der Natur. Die Natur um uns herum beeinflusst noch viel mehr, als uns manchmal bewusst ist.
Vielen Dank, Eva, dass du mitgespielt hast. Wir wünschen euch, den «Waldkinder St.Gallen», ein wunderbarer Waldschuljahr. Bis 2018, wenn wir uns an eurem Jubiläumanlass am 31. August wiedersehen!
Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber
Interview, Gestaltung und Umsetzung: Nadja Hillgruber, www.infothek-waldkinder.org
Bildnachweis: Fotografie © Infothek Waldkinder
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