
Treffpunkt Campus, der Pädagogischen Hochschule in Zürich, zu dem der gesamtschweizerische Verband ERBINAT am Samstag den 18. März 2017, zum 10-jährigen Jubiläum eingeladen hatte. In diesem modernen Gebäudekomplex, dem unterirdisch die Shopping Mall des Hauptbahnhofs zu Füssen liegt, veranstaltete ERBINAT, der Verband für Erleben und Bildung in der Natur, seinen Anlass. Rund um die alljährliche Generalversammlung organisierte ERBINAT für die Branche ein Forum für Austausch und Stärkung des gemeinsamen Feuers ihrer Ziele.
Für rund 60 Teilnehmer* brannte an diesem Tag das innere Feuer, sie nahmen die stürmischen Windböen und peitschenden Regentropfen in Kauf und machten sich auf den Weg. Geschlossen standen sie um die Feuerschale und wirkten in ihrer Outdoorkleidung exotisch auf diesem Campus. Umstellt von vier steilen Fensterfassaden, die den Eindruck vermittelten, den Campus fest im Griff zu haben, wurden die Gäste von Reto Bühler, Vorstand ERBINAT, begrüsst. Die Teilnehmer strotzten den flatternden Regenplachen aus wetterfester Überzeugung und zeigten ihre motivierende Haltung für das authentische «Erleben und Bildung», das für sie am liebsten draussen in der Natur stattfindet. Es war zu beobachten, dass der überwiegende andere Teil an Personen, die auf diesem Gelände unterwegs waren, sich lieber in den Gebäuden aufhielt. Für einen reibungslosen Ablauf und zwecks der besseren Audioqualität wurden die geplanten Inputs für dieses Forum in den Räumlichkeiten der Hochschule weiter durchgeführt.

10 Jahre ERBINAT, das sind 10 Jahre Erfolg und Herausforderungen, die der Verband gemeistert hat. Dafür arrangierte das Gremium für seine Gäste, mit «10 x 10 Minuten» kurze Interventionen aus Praxis und Theorie, Kultur und Politik. Die Vorträge waren dermassen vielseitig spannend, erfrischend anders und inhaltlich vielschichtig, dass sie alle eine kurze Zusammenfassung verdienen.

Stefan Baumann, «Hosentaschendikdaktik», Fachbereichleiter PHZH (FB Bildung für Nachhaltige Entwicklung), Dozent für Geografie der Sekundarstufe I
Hosentaschendidaktik, die Methode um wahrzunehmen und zu verstehen…
Den Anfang machte Stefan Baumann, der alle Teilnehmenden dazu einlud mit dem Hosentaschendidaktik Blatt, den Raum und das Gelände auf dem sie sich befanden unter dem Fokus des entdeckenden Lernens, des wechselseitigen Verstehens und der pädagogischen Gesprächsführung, zu erkunden. Diese Hosentaschendidaktik wendet er häufig auf Stadtexkursionen mit Studenten an. Es ist eine Methode Räume wahrzunehmen, sie zu verstehen und wenn jemandem dabei etwas Besonderes ins Auge sticht, diese genauer zu untersuchen.

Rolf Jucker, «Fördert oder verhindert Umweltbildung Nachhaltigkeit? Oder andersrum: …denn wir wissen nicht, was wir tun», Geschäftsführer von SILVIVA
Rolf Jucker, überraschte das Publikum mit zwei Provokationen, die zum Nachdenken anregen sollen…
1. Provokation: Alle aus der Branche «Erleben und Bildung», sind in einem Auftrag unterwegs, der die Welt besser, schöner und umweltverträglicher machen soll. Seine Behauptung ist, das Gegenteil ist der Fall. In klaren Worten formuliert er, dass seit 40 Jahren nachhaltige Umweltbildung gemacht wird, jedoch in keiner Weise ersichtlich ist, dass sich eine Trendwende darin entwickelt. Qualitativ gute Bildungen tragen mit dazu bei, dass immer mehr Menschen immer besser in verschiedensten Kompetenzbereichen ausgebildet werden. Gute Ausbildungen sind in der Gesellschaft mit besseren Positionen, besseren Jobs und besserer gesellschaftlicher Stellung verbunden. Die Folge von immer besseren Jobs ist, dass der Mensch einen höheren ökologischen Fussabdruck aufgrund seines stetig steigendem Einkommens hinterlässt. Daraus folgt die legitime Frage, ob die bestehenden Weiterbildungsangebote ausgebaut werden müssen, damit es eine andere Wirkung hinterlässt?
Welchen ökologischen Fussabruck hinterlassen Menschen, die nachhaltig in Umweltbildung ausgebildet werden?…
2. Provokation: Seit Rolf Jucker, als Fachperson in der Umweltbildung aktiv ist, gibt es die Unterstellung, die Umweltbildung sei ausschliesslich kognitiv unterwegs. Die Umweltbildung will Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, doch eigentlich geht es um Emotionen, Instinkte und das Erleben. Jedoch hat die Umweltbildung zu wenig Systemwissen, zu wenig Handlungswissen und zu wenig Fertigkeitswissen, um mit dieser Herausforderung klarzukommen. Menschen bauen ihre Identität über selbst erzählte Geschichten ihres Lebens und ihrer Wirksamkeit auf. Was das Leben der Menschen ausmacht, zeigt sich über ihre Handlungen, nicht über Gefühle oder aus Rechtfertigungsstrategien, die sie sich zurechtlegen. Mit dieser Aussage spannt Rolf Jucker den Bogen zum ökologischen Fussabdruck aus der 1. Provokation, in dem er sagt, «Es zeigt sich ausschliesslich über die Handlungen des Menschen, wie gross der ökologische Fussabdruck ist. Indem die Menschen wirklich aktiv werden, wo sie in der realen Welt wirksam sind und nicht mit dem, was sie sich zurechtlegen, können sie etwas bewegen»
Die Gedanken können in dem Buch von Rolf Jucker “Do We Know What We Are Doing? Reflections, on Learning, Economics, Community and Sustainability” nachgelesen werden.
René Kämmerer, «Steine in die Limmat werfen – mehr braucht es nicht», Mitarbeiter von Transa, Anbieter von Ausrüstung für Outdoor-Aktivitäten in der deutschsprachigen Schweiz
…die Menschen sollen wieder ihre kindliche Freude entdecken
Natur ist für René Kämmerer ein grosser Abenteuerspielplatz, wo man sich austoben und ausprobieren kann. Genauso authentisch, wie die Natur sich dem Menschen zeigt, verkörperte René Kämmerer charmant und unverwechselbar gegenüber seinen Zuhörern, seine klare Meinung. Wenn die Menschen die Naturgesetze verstanden haben, können sie sich auch sensationell in der Natur bewegen. Es ist diese Ehrlichkeit, mit der die Natur den Menschen begegnet und sie auf ihre Grundwerte zurücksetzt. Ausrüstung ist für ihn existenziell wichtig. Aber eigentlich sind es doch die Geschichten, die sich Menschen immer wieder erzählen, bei denen sie bis auf die Haut durchnässt waren, der Rucksack drückte und sie in ihren Schuhen im Wasser standen, statt die Geschichten, bei denen die Ausrüstung perfekt war.

An einem Beispiel, sagt René Kämmerer worum ist ihm geht, «Es ist wie bei dem Hund, der hüpft, sobald er die Leine hört. Wenn ich meine Bergschuhe in die Hand nehme, freut es mich; es geht wieder los. Ich bin wieder in meinem Abenteuer, dafür ist Ausrüstung für mich da.» Es ist eine Frage der Perspektive, wie Menschen draussen in der Natur unterwegs sind. René Kämmerer ist der Ansicht, die Menschen sollen wieder mehr ihre kindliche Freude in sich entdecken, wenn sie in der Natur unterwegs sind. Beim Beobachten eines Schmetterlings entdecken die Menschen noch ganz andere Dinge um sich herum, als wenn sie nur die Bergspitze im Visier haben. Für ihn ist es nicht wichtig, wie hoch der Berg war, den er bestiegen hat, sondern er wollte sich selbst spüren, denn er weiss erst, dass es ein Berg ist, wenn er vorher durch ein Tal gelaufen ist.
Fia, «Mini Erinnerigä ad Waldspielgruppe vor foif Jahr», 9 Jahre alt und besuchte die Waldspielgruppe von Janine Weber
…aus der Sicht von Kinderaugen, die natürliche und selbstverständliche Wichtigkeit eines Waldtages
Fia überraschte die 60 Erwachsenen mit ihrem erfrischenden Vortrag. Gespannt lauschten und staunten 120 Ohren- und Augenpaare, den Erinnerungen aus ihrer Waldspielgruppenzeit. Mit einer souveränen Lockerheit brachte sie die natürliche und selbstverständliche Wichtigkeit eines Waldtages mit Kinderaugen in die Erwachsenenwelt.

So erzählte sie von dem Zahnbürstenbaum, der so hiess, weil er nur auf einer Seite Äste hatte oder den vielen Blumen und Pflanzen, die sie gesehen hatte und den Vögeln, denen sie zugehört hatte. Sie erinnerte sich noch an «Seppi» die Handpuppe in Form einer Schnecke, die immer vorbeikam, wenn sie bei einer Lichtung Rast machten. «Seppi» wusste immer über Neuigkeiten aus dem Wald zu erzählen. Sie weiss noch, dass sie einen Zwergenfreund von zu Hause in den Wald mitbrachte. Für ihn suchte sie Höhlen in Baumwurzeln und baute ihm ein heimeliges zu Hause aus Moos, Blättern und Stecken. Ein besonderes Highlight im Wald war die «Kugelibahn», die die Kinder selbst mit Naturmaterialien bauten. Das erstaunliche war, dass die Bahn so ganz anders wie auf einem Spielplatz war und gar nicht aus Metall und Plastik. An den Mistkäfer «Franz», dem sie regelmässig im Wald begegnete und der so schön blau schimmerte, denkt sie auch heute noch gerne zurück. Sie geht heute noch gerne in den Wald, weil es dort für sie einfach wunderschön ist. Es war für Fia eine tolle und unvergessliche Zeit in der Waldspielgruppe, an die sie gerne zurückdenkt.
Sandra Wilhelm, «Gemeinsam sind wir besser – Würdigung der steten Arbeit an der eigenen Professionalisierung, Leitung Weiterentwicklung Bildung für Nachhaltige Entwicklung, éducation 21
ERBINAT kann stolz sein…
Sandra Wilhelm richtete ihren Blick von aussen auf ERBINAT und wie sie den Verband die letzten 10 Jahre erlebt hat. Sie gratulierte zu dem hohen Qualitätsstandard, den ERBINAT als Verband und gemeinsame Stimme erreicht hat. Dem Verband sprach sie ihr Lob aus und dass sie darauf stolz sein können.

Sie munterte dazu auf weiterhin so aktiv und frisch zu bleiben und immer wieder die Komfortzone zu verlassen, damit die Ziele erreicht werden. Die Vision mit der sich die Einzelkämpfer damals zusammengetan haben, um mehr Gewicht zu erhalten und Professionalität auszustrahlen, fand sie rückblickend, als gelungen. Das gemeinsame Auftreten und die positive Wirkung nach aussen ist für sie spürbar. Die Öffentlichkeit ist überzeugt von der Arbeit von ERBINAT. Mit diesem Paket hat ERBINAT ein Zeichen gesetzt. Es finden Dialoge und Austausch auf verschiedensten Plattformen statt, die dem Verband eine Identität gegeben haben.
Stefan Held, „Zwischen Feuer und B-Ton. Ein Spiel mit Gegensätzen und Gitarre“, Primarlehrer, Systemischer Erlebnispädagoge NDS HF, Heilpädagoge i.A., Musiker, Fotograf, Videokünstler, Lehrtrainer bei planoalto
Reto Bühler nannte Stefan Held eine Wundertüte. Das Publikum konnte sich davon selbst überzeugen. Als er seine Wundertüte öffnete und mit musikalischer Nonchalance davon sang wofür sein Herz brennt, lauschten alle sprachlos berührt.
Audio zum Reinhören…
Jean-Bernard Bächtiger, „Bildung und Wissenschaft“, Institutsleiter Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW Wädenswil
Bildung mit der Wissenschaft oder umgekehrt zu verbinden und verknüpfen sieht Jean- Bernard Bächtiger immer noch als grosse Herausforderung. Er schilderte mit amüsierendem Charme, wie ihn diese Verbindung „Bildung und Wissenschaft“ auf seinem bisherigen Lebensweg immer wieder einen Schritt weiter und auch einmal aus zu viel Idealismus heraus zum Scheitern brachte.
Sein Wunsch an ERBINAT…
Es bleibt für ihn weiterhin interessant dieses Spannungsfeld „Bildung und Wissenschaft“, welches aus unterschiedlichen Welten kommt und unterschiedliche Sprachen spricht, zusammenzubringen. Die Menschen sollen lernen zu erkennen, was sie schützen sollen. Abschliessend richtet er einem Wunsch an den Verband ERBINAT: „Es entstehen neue Lebensräume und Tätigkeitsfelder in der Gesellschaft. Um auch die Menschen zu erreichen, die bislang noch nicht für nachhaltige Umweltthemen sensibilisiert sind, sollen die Fachpersonen, sie dort abholen, wo sie in ihrem Alltag unterwegs sind.“

Jürg Schär & Erich Gyr, „Am Anfang war das innere Feuer – und ERBINAT begann das Feuer nach aussen weiter zu tragen“, Jürg Schär, Leitung von Wakonda, Erich Gyr, Autor und Forst- und Waldpädagoge
Es sollte ein schweizweites Netzwerk entstehen…
Am Anfang war das innere Feuer, daran erinnern sich Jürg Schär und Erich Gyr noch gut, denn sie waren damals im Jahr 2006 bei der ersten Gründungsversammlung im Kongress Hotel in Olten dabei. Die Motivation etwas zu gründen, in dem die Interessen für eine gemeinsame Perspektive gebündelt werden, war gross.

Es sollte ein schweizweites Netzwerk entstehen, das den Erwartungen der verschiedenen Interessensgruppen gerecht wird, um mit klaren Inhalten in den Wald hinauszugehen. Eine hervorragende Eigenschaft brachten alle Initiatoren damals schon mit; sie hatten das Herz für die Natur am richtigen Fleck, sagte Jürg Schär. Mit dem 10-jährigen Jubiläum gilt es nun die kleine Flamme, die damals aufgegangen ist, symbolisch weiterzutragen und das Feuer weiter zu schüren.
Sound vom Symbolisches Feuerwerk zum Reinhören…
Zum Abschluss des diesjährigen Forums standen alle Teilnehmer nochmals geschlossen um die Feuerschale auf dem Campus und entzündeten das symbolische Feuerwerk zum Jubiläum von ERBINAT.

Wer aufmerksam mitgezählt hat, dem wird aufgefallen sein, dass „8×10 Minuten“ von uns zusammengefasst wurden. Die erste Intervention war die Begrüssung „Ich, du…wir!“ von Janine Weber und Reto Bühler vom Vorstand ERBINAT. Die Pause während dem Mittagessen war die zehnte Intervention, als die Teilnehmer interaktiv mitgewirkt haben. Diese Mittagspause wurde rege genutzt und geschätzt für den gemeinsamen Austausch aus der Welt „Erleben und Bildung“.
*hier sind in dem Text alle weiblichen und männlichen Teilnehmer gemeint
An dieser Stelle möchten wir, die Feuervogel Genossenschaft, als Partner von ERBINAT herzlich zu diesem 10-jährigen Jubiläum gratulieren. Es war eine gelungene Veranstaltung in einem speziellen Rahmen. Es fand viel Fachaustausch statt, es wurde genetzwerkelt, visioniert und die Funken der inneren Feuer haben gesprüht. Wir schätzen die offene Kommunikation dieses Verbands und freuen uns Teil davon sein zu dürfen.
Redaktionsleitung: Christoph Lang, Nadja Hillgruber
Gestaltung und Umsetzung, Bildredaktion: Nadja Hillgruber, www.infothek-waldkinder.org
Bildnachweis: Fotografie und Audio © Infothek WaldkinderBildnachweis: Fotos Stefan Baumann und Stefan Held (Gitarre) ERBINAT

Die Infothek Waldkinder – Informationsplattform Naturpädagogik ist ein Projekt der Feuervogel Genossenschaft